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Eine Linie Zwei Welten: Vom Zuckerbäckerstil zu den Zwergziegen

Eine Linie Zwei Welten: Vom Zuckerbäckerstil zu den Zwergziegen

Sobald sich die ersten Sonnenstrahlen im Frühling an den Wolken erfolgreich vorbeidrücken, beendet die Eisdiele Il Viale die Winterpause. Im Außenbereich sitzen Familien und junge Paare und genießen die zum Teil veganen Kreationen aus der Theke. Das kleine Café ist längst kein Geheimtipp mehr: Die Schlange Wartender neben dem Zugang zur U-Bahn inmitten eines Wohnblocks bleibt stets konstant lang. Bild: Der Zugang zum U-Bahnhof befindet sich neben einer Eisdiele im Wohnblock. Die repräsentativen Bauten entlang der heutigen Karl-Marx- beziehungsweise Frankfurter Allee zwischen Strausberger Platz und der Proskauer Straße entstanden in den 1950er-Jahren im sogenannten Zuckerbäckerstil, basierend auf den 1950 beschlossenen „16 Grundsätzen des Städtebaus“, die als Leitbild in der DDR dienten. Darin heißt es etwa, dass bauliche Maßnahmen zur „harmonischen Befriedigung des menschlichen Anspruchs auf Arbeit, Wohnung, Kultur und Erholung“ erfolgen. Und: „Das Wachstum der Stadt muss dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit untergeordnet werden und sich in bestimmten Grenzen halten.“ Dies erklärt die Konzeption breiter Straßen und Grünflächen – und das Zusammenspiel von hellen und großzügig geschnittenen Wohnungen sowie Ladenflächen im Erdgeschoss der Häuser der „Stalinallee“, wie der Prachtboulevard bis 1961 hieß. Blickfang am westlichen Teil des Strausberger Platzes sind das Haus Berlin und das Haus des Kindes (heute: Henselmann-Turm). In diesem Gebäude plante der Architekt Hermann Henselmann (1905–1995) Deutschlands erstes Kinderkaufhaus im Erdgeschoss und ein kindgerechtes Café ganz oben in der elften Etage. Die Westseite des Hauses ziert das Goethe-Zitat „Solch ein Gewimmel möchte ich sehn, auf freiem Grund mit freiem Volke stehn“ (aus „Faust II“). Bild: Unscheinbar, aber legendär: das Café Moskau  Schauplatz revolutionärer Bewegungen Doch bereits in der Bauphase der Karl-Marx-Allee herrschte nicht nur euphorische Aufbruchsstimmung: Am 15. Juni 1953 legten Bauarbeiter*innen am Krankenhaus Friedrichshain die Arbeit nieder. Einen Tag später schlossen sich die Kolleg*innen in der nahe gelegenen Karl-Marx-Allee an. Am 17. Juni 1953 erfolgten die Proteste schließlich republikweit. Zum geforderten Dialog kam es nicht, der Aufstand wurde niedergeschlagen: Mindestens 55 Menschen kamen dabei ums Leben. Die Gegend rund um den Strausberger Platz war schon mehrfach Austragungsort revolutionärer Bewegungen. Bereits im März 1848 verteidigten Freiheitskämpfer die Barrikade auf der Großen Frankfurter Straße, wie die Karl-Marx-Allee damals hieß, gegen das preußische Militär. 1872 kam es zu den sogenannten Blumenstraßenkrawallen. Die Blumenstraße liegt heute zwischen Andreas- und Lichtenberger Straße, parallel zur Karl-Marx-Allee. Vor dem Zweiten Weltkrieg führte sie bis zur Alexanderstraße. Als Berlin Ende des 19. Jahrhunderts kontinuierlich wuchs, stiegen die Mieten rasant an. Ein in der Blumenstraße wohnhafter Schuster sollte aufgrund von Mietschulden geräumt werden. So entstand ein handfester Protest gegen die Gerichtsvollzieher, der am Strausberger Platz zu dreitägigen Unruhen führte. In der Folge wurden 33 Personen festgenommen, zahlreiche Wohnungen geräumt und ihre Bewohner*innen auf Armenhäuser verteilt. Bild: Kunstwerke wie „Jagd auf die Große Bärin“ des Bildhauerduos Sonder zieren die Karl-Marx-Allee westlich des Strausberger Platzes. In der Blumenstraße erhielt Heinrich Zille Zeichenunterricht, 1877 zog Alfred Döblins Familie in die Straße. Der spätere Arzt und Autor veröffentlichte 1929 seinen richtungsweisenden Roman „Berlin Alexanderplatz“. Im 19. und 20. Jahrhundert befanden sich an der lang gezogenen Blumenstraße und an der Großen Frankfurter Straße zahlreiche Theater, beispielsweise das Residenz-Theater und das Wallner-Theater. Das Ausgehen spielt in diesem Kiez leider keine große Rolle mehr. Zwar gibt es westlich des Strausberger Platzes noch das Café Moskau, das derzeit wieder am Freitag und Samstag einen Club beherbergt. Und unmittelbar gegenüber befindet sich das renommierte Kino International. Aber die ehemalige Mokka Milch Eisbar, in die nach dem Mauerfall das Restaurants Alberts zog, verwaist seit drei Jahren. Dafür gibt es mit dem A Mano direkt am Strausberger Platz ein exzellentes italienisches Restaurant, dessen Speisen und Service begeistern. Deswegen sollte man unbedingt einen Tisch vorbestellen, denn längst haben Schauspieler*innen, Rock- und Klassikstars diesen Ort für sich entdeckt. Von hier hat man einen exzellenten Blick auf den von Kunstschmied Fritz Kühn entworfenen und 1966 gebauten Brunnen „Schwebender Ring“ mit 43 Wasserfontänen. Tierpark Zwölf Minuten dauert die Fahrt vom Strausberger Platz bis zum Tierpark. Die im Juni 1973 eröffnete gleichnamige Station stellt den einzigen in der DDR gebauten unterirdischen U-Bahnhof dar. Bereits kurz nach der Eröffnung des Tierparks 1955 setzte sich der Direktor Heinrich Dathe für die Erweiterung der Linie E (heute: U5) über den Endpunkt Friedrichsfelde hinaus ein, um den Besucher*innen einen besseren Anschluss zu gewährleisten. Dathe hat auch seinen Anteil am Erhalt des Schlosses Friedrichsfelde, das sich im Nordteil der Anlage befindet und zu DDR-Zeiten abgetragen werden sollte. Das im frühklassizistischen Stil errichtete Gebäude hieß ursprünglich Schloss Rosenfelde, als es 1685 fertiggestellt wurde. Im Laufe der Jahre erfolgte mehrfach der Verkauf, bis es schließlich 1816 Carl von Treskow erwarb. Die Erbbegräbnisstätte des Adelsgeschlechts blieb erhalten und kann im Südteil des Tierparks betreten werden. Von Treskow beauftragte Peter Joseph Lenné, die heute noch erkennbare Gartenanlage des Schlosses zu konzipieren. Seit Mitte der 1950er-Jahre gehören Gebäude und der Garten zum Tierpark Berlin. Mitte der 1960er-Jahre wurde die Anlage um Plastiken von Walter Lerche ergänzt. Bild: Der einstige Tierpark-Direktor Heinrich Dathe setzte sich für den Erhalt des Schlosses Friedrichsfelde ein. Insgesamt finden sich mehr als 100 Plastiken, Brunnen und Mosaike auf der 160-Hektar- Fläche, was den Tierpark Berlin zum größten Landschaftstierpark in Europa macht. Er beherbergt mehr als 600 Tierarten – darunter bedrohte Arten wie der Afrikanische Wildesel, der Mesopotamische Damhirsch oder der Mishmi-Takin. Bild: Nachwuchs (l.) bei den Girgentana-Ziegen. Architektonische Zeugnisse unterschiedlicher Epochen Beim Schlendern zwischen den Außengehegen und Tierhäusern verhält es sich ähnlich wie auf der Karl-Marx-Allee: Das dichte Gedränge bleibt aufgrund der großzügigen Fläche aus. Das Areal westlich des Tierparks spiegelt Wohnkonzepte aus unterschiedlichen Epochen wider: Der Dorfanger in der Alfred-Kowalke-Straße illustriert den mittelalterlichen Siedlungskern. 1265 wurde Friedrichsfelde erstmals urkundlich erwähnt. Im Süden von Friedrichsfelde zwischen Sewanstraße und Bahndamm befindet sich die einstige Kriegsversehrtensiedlung, die seit 1951 den Namen Splanemann-Siedlung trägt. Es handelt sich um Deutschlands erstes Plattenbauviertel, das zwischen 1926 und 1930 errichtet wurde. Bild: Das ehemalige Wohnhaus des Dramatikers Heiner Müller in der Erich-Kurtz-Straße . Die Plattenbauten gegenüber dem Tierpark-Haupteingang rund um den heutigen Heinrich-Dathe-Platz entstanden in den 1960er-Jahren. Eine Wohnung in der Erich-Kurz-Straße 9 entwickelte sich zu einem wichtigen Anlaufpunkt für Schriftsteller*innen und Künstler*innen: Von 1979 bis 1993 lebte hier der Dramatiker Heiner Müller (1929–1995), der ab 1992 als Intendant des Berliner Ensembles wirkte. Im benachbarten Ortsteil Karlshorst trägt seit dem vergangenen Jahr eine Straße seinen Namen.

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