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Eine Linie zwei Welten: Vom Bülowbogen zur Gertraudenbrücke

Eine Linie zwei Welten: Vom Bülowbogen zur Gertraudenbrücke

Jahrelang lieferte die Serienfigur Otto Krüger in der Fernsehserie „Drei Damen vom Grill“ Fleisch- und Wurstwaren an den Stand der Färbers: erst an den Nollendorfplatz, später nach Westend. 1987 zog Krüger, gespielt von Günter Pfitzmann, nach Hamburg. Denn der Schauspieler konzentrierte sich nunmehr auf die neue Serie „Praxis Bülowbogen“. Den weißen Kittel des Lieferanten konnte er anbehalten, auch wenn er von nun an den verständnis- und humorvollen Allgemeinmediziner Dr. Brockmann verkörperte. Der Vorspann der Serie machte den Kiez mit Luftaufnahmen der bogenförmig verlaufenden Bülowstraße, des Dennewitzplatzes und der Lutherkirche bundesweit bekannt. Bild: Die Lutherkirche am Dennewitzplatz Der 1902 eröffnete Hochbahnhof der Linie U2 war zu Zeiten der Dreharbeiten nicht in Betrieb. Die von Bruno Möhring entworfene und mittlerweile unter Denkmalschutz stehende Station wurde seit 1972 nicht mehr angefahren. Der Grund dafür lag in der Teilung der Stadt: Nach dem Mauerbau 1961 war die nach Ost-Berlin führende U2 unterbrochen. Die Fahrgastzahlen gingen anschließend drastisch zurück. Weil mit der U1 eine fast parallel verlaufende Strecke zum Gleisdreieck führte, vermietete die BVG den Bahnhof, der bis Anfang der 1990er-Jahre gewerblich genutzt wurde und den sogenannten Türkischen Basar beherbergte. Auf den Gleisen befanden sich ausgemusterte U-Bahn- und Straßenbahn-Waggons. Richtung Osten befindet sich die sogenannte Pastorenkurve. Der Name leitet sich davon ab, dass die Trasse der Hochbahn so gebaut wurde, dass die Lutherkirche mit respektvollem Abstand umfahren wird. Johannes Otzen plante den Sakralbau Ende des 19. Jahrhunderts. Bei der Grundsteinlegung am 18. April 1891 waren Kaiser Wilhelm II. und seine Ehefrau Auguste Viktoria anwesend. Aufgrund ihres Engagements für den Bau evangelischer Gotteshäuser erhielt sie im Volksmund den Spitznamen „Kirchenjuste“. Heute hält hier die American Church in Berlin ihre Gottesdienste ab. Nicht mehr erhalten ist das Ballhaus in der Bülowstraße 37. Der ehemalige Königshof avancierte in der Weimarer Republik zu einem wichtigen Treffpunkt der schwul-lesbischen Bewegung. Charlotte Hahm organisierte hier opulente Lesben- und Transvestiten-Bälle. 1933 schlossen die Nationalsozialisten das Ballhaus. Zwei Jahre später wurde sie in einem Konzentrationslager interniert. Nach dem Zweiten Weltkrieg organisierte die Aktivistin neue Treffpunkte am Alexanderplatz. Walter Draesel hatte 1943 das Ballhaus übernommen und führte es bis zu seinem Tod 1965. Am 6. Februar 1975 erfolgte der Abriss im Zuge der Umgestaltungen im Schöneberger Kiez. Auf der anderen Seite der Fahrbahn befindet sich Munch’s Hus, das erste und bisher einzige Restaurant in Deutschland mit norwegischer Küche. Im vergangenen Jahr feierte das Haus das 20. Jubiläum. Inhaber Kenneth Gjerrud setzt einerseits auf traditionelle Gerichte wie den Elchbraten und Fischspezialitäten, aber auch auf vegetarische Spezialitäten. Vieles auf der Speisekarte ist jedoch nur saisonal verfügbar. Bild: Munchs Hus ist Deutschlands einziges Restaurant mit norwegischer Küche In direkter Nachbarschaft befindet sich der Gewerbehof Bülowbogen. Das Ende des 19. Jahrhunderts errichtete Backstein-Ensemble beherbergte zahlreiche renommierte Unternehmen wie die Druckerei Pass & Garleb (später Erich Garleb GmbH), die unter anderem das erste Berliner Adressbuch herstellte. 1894 zog die aufstrebende Aktiengesellschaft Mix & Genest ein, die sich der Herstellung von Telefonen und der Vermittlungsstellentechnik widmete. Später produzierte Mix & Genest auch Rohrpost- und Förderanlagen. Die Expansion führte dazu, dass die Firma einige Jahre später an den Sachsendamm zog. Die industrielle Nutzung fand bereits vor Jahrzehnten ein Ende. Seit Mitte der 1980er-Jahre nutzen Agenturen und anderen Dienstleistungsunternehmen die Räumlichkeiten. Im Kontrast zum Flair der Industriearchitektur stehen Kleingärten, eine Skaterlage, der 2013 eröffnete Westpark sowie der Ende der 1980er-Jahre angelegte Nelly-Sachs-Park. Auf der Liegewiese oder am idyllischen Teich hätte Dr. Brockmann seine Pausen verbringen können. Der Drehort der Praxis liegt übrigens – anders, als der Name vermuten lässt – nicht am Bülowbogen, sondern weiter westlich in der Zietenstraße 22, unmittelbar zwischen U-Bahnhof Bülowstraße und Nollendorfplatz gelegen. Bild: Der Teich im Nelly-Sachs-Park Spittelmarkt Für städtebaulichen Wandel steht auch die Geschichte des elf Fahrminuten von der Bülowstraße entfernten Spittelmarktes. Der Name des Mitte des 18. Jahrhunderts entstandenen, aber heute nicht mehr erkennbaren Platzes leitet sich vom Begriff Spital ab: Bereits Anfang des 15. Jahrhunderts baute das St.-Gertrauden-Stift an der Stadtmauer eine Kapelle und ein Haus, das erst für adlige Jungfrauen, später für mittellose und kranke Bürger*innen Verwendung fand. Aus dem Gebäudeensemble gingen die Spittelkirche und das Gertraudenhospital vor. Während der Sakralbau Ende des 19. Jahrhunderts abgerissen wurde, erfolgte die Verlegung des Hospitals nach Kreuzberg. Bild: Der Stadtgarten in der Neuen Grünstraße wird seit 2016 gemeinschaftlich bepflanzt In der Gründerzeit änderte der Platz somit sein Gesicht. An die Randbebauung mit Wohn- und Geschäftshäusern erinnert jedoch nur noch ein Haus im spätgotischen Stil an der Gertraudenbrücke – sowie westlich des Kupfergrabens der aus der gleichen Zeit stammende Spindlerbrunnen aus roséfarbenem Granit, der 1927 abgebaut und in Köpenick wieder errichtet wurde. Er kehrte 1981 in die Nähe seines ursprünglichen Standortes zurück, wurde zwischenzeitlich aber noch einmal zu Restaurierungszwecken demontiert. Die restliche Bebauung des Spittelmarktes wurde im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt oder zerstört. In den 1960er- und 1970er-Jahren entstand ein komplettes Neubaugebiet, zuvor erfolgte der Abbruch noch vorhandener Altbauten in der Leipziger Straße. In der letzten Bauphase Ende der 1970er-Jahre wurden die Spittelkolonnaden unter Verwendung alter Bauteile rekonstruiert. Sie befinden sich heute nur unweit des ursprünglichen Standortes. Jedoch standen sie bis Ende der 1920er-Jahre nördlich und südlich der Leipziger Straße. Während der südliche Teil an der Mühlenstraße eingelagert wurde, erlitt das nördliche Pendant im Zweiten Weltkrieg derart schwere Beschädigungen, dass es 1960 abgetragen wurde. Bild: Die Hochhäuser an der Leipziger Straße entstanden in den 1970ern Die historischen Bauten auf der Fischerinsel, dem südlichen Teil der Spreeinsel auf dem anderen Ufer des Spreekanals, verschwanden ebenfalls in den 1960er-Jahren. 30 Baudenkmäler fielen der Abrissbirne zum Opfer. Zwischen 1969 und 1973 wurden sechs Hochhäuser des Typs WHH GT 18, eine Schwimmhalle sowie die Großgaststätte Ahornblatt errichtet. Nach dem Mauerfall kam es zu einem historischen Déjà-vu: Obwohl das Ahornblatt mittlerweile selbst unter Denkmalschutz stand, ließ es ein Investor im Jahr 2000 abreißen und errichtete ein Hotel. Bild: Die Grünstraßenbrücke verbindet die Fischerinsel mit dem historischen Neu-Cölln Auch südlich des Spittelmarktes tat sich in den vergangenen Jahren einiges: Die Brachflächen rund um den ehemaligen Mauerstreifen sind verschwunden – es entstand ein vollkommen neues Wohnquartier. Und weitere Änderungen sind in Planung: Die Gertraudenbrücke und der südlich verlaufende Erweiterungsbau aus den 1970er-Jahren – die Neue Gertraudenbrücke – müssen in den kommenden Jahren abgetragen und das Brückenkonstrukt neu gestaltet werden. Dann soll auch eine Straßenbahntrasse zum Kulturforum am Potsdamer Platz führen. Text und Bilder: Ronald Klein

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