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Eine Linie zwei Welten: Das Ende der Geisterbahnhöfe

Eine Linie zwei Welten: Das Ende der Geisterbahnhöfe

Wir fahren jeden Monat mit einer Linie der BVG durch die Stadt. Dabei porträtieren wir zwei Kieze entlang der Strecke. Folge 112: U-Bahnhof Heinrich-Heine-Straße zum U-Bahnhof Voltastraße.

Der nordöstliche Zugang zum U-Bhf Heinrich-Heine-Str. und zum Sage-/KitKatClub. 

Heinrich-Heine-Straße Es gibt viele Beispiele für die Macht des gesprochenen Wortes. Eines betrifft Günter ­Schabowski: Der Erste Sekretär der SED-­Bezirksleitung von Ost-Berlin stellte am 9. November 1989 bei einer Pressekonferenz die „zeitweilige Übergangsregelung für die ständige Ausreise aus der DDR“ vor. Auf die Nachfrage eines Journalisten antwortete er: „Das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich.“ In der Folge stürmten einige DDR-Bürger*innen an den Grenzübergang Bornholmer Straße, wo die überrumpelten Grenztruppen der DDR die Reise nach West-Berlin gewährten. Am 11. November ­wurde der U-Bahnhof Jannowitzbrücke (heute U8) als Grenzübergang geöffnet. Das leitete das Ende der Geisterbahnhöfe ein. ­Während der Teilung der Stadt fuhren die Züge der U8 und U6 durch die unter Ost-Berlin gelegenen Bahnhöfe durch. Eine Ausnahme bildete der Bahnhof Friedrichstraße, der als Grenzübergang während der Zeit der Mauer in Betrieb blieb. Der U-Bahnhof Heinrich-Heine-Straße feierte die Wiedereröffnung etwas später: Er ging im Sommer 1990 wieder ans Netz. Bis auf den Zugang in einem Wohn- und Bürohaus waren alle Zugänge eingeebnet und unkenntlich gemacht worden. Außerdem ließen die Grenztruppen die Treppen der Zugänge abbrechen.

Der südliche Zugang war zwischen 1961 und 1989 eingeebnet.

Einer der größten Grenzübergänge Die allmähliche Veränderung markierte bereits 1960 die Umbenennung der 1843 angelegten Neanderstraße und des gleichnamigen U-Bahnhofs in Heinrich-Heine-Straße im Jahr 1960. Ein Großteil der Wohnhäuser war in Folge des Zweiten Weltkriegs verschwunden. Im südlichen Teil der Straße ließ der Ost-Berliner Magistrat zwischen 1959 und 1961 Plattenbauten vom Typ Q3A errichten. Im Jahr der Fertigstellung entstand hier eine der größten Grenzübergänge zwischen Ost- und West-Berlin, wo der Waren- und Postverkehr geregelt wurde. An diesem Ort spielten sich mehrere tragische Fluchtversuche ab: 1965 wurde der 27-jährige Heinz Schöneberger beim Versuch, seine Freundin nach West-Berlin zu bringen, erschossen. Die Schützen wurden 1995 wegen Totschlags verurteilt. Hotspot der Techno-Kultur Mit dem Fall der Mauer erwachte das Viertel aus seinem Dornröschenschlaf. Denn fortan befand es sich nicht mehr an der militärisch gesicherten Grenze, sondern im Herzen der Stadt. 1991 avancierte das Eckhaus an der Kreuzung Brücken-/Köpenicker-/Heinrich-Heine-Straße zum Mekka der noch jungen Techno-Bewegung. Im Walfisch feierten Raver*innen bis 1993 After-Show-Partys. Danach zog der Club Boogaloo ein, den 1997 der Sage Club ablöste. Seit 2007 vermietet dieser seine Räumlichkeiten auch an den legendären KitKatClub. Ebenfalls zu Techno-Klängen wird ein paar Meter weiter im südlichen Trakt des Heizkraftwerks Mitte getanzt – 2007 zog hier der berühmte Tresor ein. Zwischen den beiden Clubs führt die Ohmstraße nach Norden. Abseits der prägenden Neubauarchitektur macht die ruhig gelegene Ohmstraße, die zwischen Köpenicker- und Rungestraße verläuft, einen historischen Eindruck: Der Großteil der dreigeschossigen Häuser stammt aus den 1870er-Jahren. Mehr über die Stadtgeschichte ließe sich im Märkischen Museum erfahren, das sich in der Nähe des Köllnischen Parks unweit des Spreeufers befindet. Es wurde 2023 zwecks „umfangreicher Erneuerung“ geschlossen und wird erst in einigen Jahren wiedereröffnet.

Zwischen Hussiten- und Brunnenstraße errichtete die AEG Ende des 19. Jahrhunderts ein riesiges Industrieareal.

Voltastraße Gerade einmal neun Minuten dauert die Fahrt bis zur Voltastraße. Hier errichteten die Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft (AEG)ab 1894 mehrere Einzelfabriken auf dem Gelände zwischen Hussiten- und Brunnenstraße. So entstand nicht nur der größte und bedeutendste Industriekomplex Berlins – verbunden war damit auch die Entwicklung der Elektroindustrie und Berlins Aufstieg zu Elektropolis.

Vor mehr als 40 Jahren stellte die AEG den Betrieb in Berlin ein. 

Die erste U-Bahn Berlins Auch wenn die offizielle Eröffnung der Berliner U-Bahn auf das Jahr 1902 datiert – die AEG hatte bereits Mitte der 1890er-Jahre ein vergleichbares Projekt gestartet, um das Gelände am Humboldthain mit der Apparatefabrik an der Ackerstraße zu verbinden. In einem 300 Meter langen Tunnel transportierten Elektrotriebwagen Material und Arbeiter*innen. Aufgrund des erfolgreichen Prototypen-Betriebs schlug der Konzern der Stadt Berlin eine unterirdische Röhrenbahn nach Londoner Vorbild vor. Jedoch setzte sich der Konkurrent Siemens mit der preiswerteren „Unterpflasterbahn“, die stellenweise als Hochbahn betrieben werden sollte, durch. Um 1910 wurde der Tunnel in östliche Richtung erweitert und später als unterirdische Munitionsfabrik  zu errichten. Nur ein Teil des Bauwerks blieb erhalten und kann heute durch eine vom Verein Unterwelten geführte Tour besichtigt werden.

Das sogenannte Beamtentor diente an der Brunnenstraße Angestellten als Zugang zum AEG-Gelände.

Neue Nutzung der Industriedenkmale Nur wenig ist oberirdisch aus der frühen AEG-Phase erhalten geblieben, darunter das sogenannte Beamtentor in der Brunnenstraße. Die Spitzbögen im Ziegelmauerwerk und Seitentürme erinnern an mittelalterliche Backsteinkirchen. Durch diesen opulenten Eingang betraten die leitenden Angestellten das Werkgelände. Zeitgleich zur Erweiterung des Tunnels entstanden ab 1910 die heute noch erhaltenen Industriebauten, in denen nach dem Auszug der AEG beispielsweise Sender wie Deutsche Welle oder Offene Kanal Berlin (OKB) Räumlichkeiten fanden. Den Niedergang des Konzern leitete die Teilung ein: Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor die AEG zahlreiche Werke, die sich fortan in Ost-Berlin befanden. 1982 meldete der Konzern Insolvenz an und stellte die Produktion im Wedding ein. Teile des Werksgeländes haben unter anderem die Technische Universität und das Fraunhofer-Institut gemietet. Nördlich an das Areal schließt der 1876 fertiggestellte Volkspark Humboldthain an. Die Flaktürme und Bunker illustrieren die Geschichte des Zweiten Weltkriegs, während der  im Frühling und Sommer geöffnete Rosengarten eine überraschende Idylle bietet.

Zahlreiche Skulpturen säumen die Wege im Humboldthain.

Eine Parallele zum Areal rund um die Heinrich-Heine-Straße findet sich in den zahlreichen Neubauten. In den 1960er-Jahren erklärte der Senat das Areal zum Sanierungsgebiet. Der einstige Wohnraum für Industriearbeiter*innen, zum Teil mit sechs ­Hinterhöfen und einfachstem Standard, verschwand. Text und Fotos: Ronald Klein

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